So bewahren Sie einen kühlen Kopf, wenn es drauf ankommt – Spitzenleistung unter Druck

Wir haben ein Heldenbild im Kopf, wenn wir an Chesley B. Sullenberger denken. Zu Recht, denn er hat wirklich leistungsstark gehandelt in einer absoluten Notsituation.

Die Dynamik der Corona-Krise stellt unsere Welt und Ihre Führungsqualitäten derzeit vor noch nie dagewesene Herausforderungen. Hier wird ebenfalls Ihr leistungsstarkes Handeln über die Gesundheit Ihrer Mitarbeiter und das wirtschaftliche Überleben mit entscheiden.

In diesem Artikel zeige ich Ihnen 3 Bausteine, die Piloten – wie Chesley B. Sullenberger – in die Lage versetzten, einen kühlen Kopf zu bewahren, wenn es drauf ankommt.  Es ist nicht nur die Art, wie Sie in akuten Notsituationen handeln. Es sind die vielen kleinen Bausteine, die im Vorfeld schon berücksichtigt werden. Sitzen diese Bausteine, nehmen diese permanent Druck aus der Gesamtsituation. Und das ist ein riesiger Beitrag, der eine herausragende Leistung erst ermöglicht.

Ich stelle Ihnen 3 Bausteine vor, die Sie auch für Ihre Arbeit anwenden können.

Baustein 1: Exzellente Vorbereitung

Vor jedem Flug steht die Vorbereitung. Die gesamte Crew trifft sich u.a. zum Briefing und bespricht:

  • den anstehenden Tag
  • Besonderheiten, die es zu berücksichtigen gilt
  • Zusammenarbeit zwischen Cockpit und Kabine

Diese Briefings sind fester Bestandteil des Arbeitsablaufes. Warum ist das so wichtig?

In einem Briefing werden sicherheitswirksame Grundlagen für den gesamten Flug gelegt. Hier hat die gesamte Crew die Möglichkeit auf Fehler aufmerksam zu werden, die ein einzelner eventuell übersehen würde.

  • Herrscht eine gute Arbeitsatmosphäre?
  • Bestehen Konflikte, die geklärt werden müssen?
  • Haben alle die richtigen Informationen, die Sie für Ihren Arbeitsalltag benötigen?

In diesem Gespräch werden alle anwesenden auf den gleichen Stand gebracht. Es wird für ein gutes Arbeitsklima gesorgt, in dem Fehler frühzeitig angesprochen werden. Letztlich wird in diesem Gespräch sichergestellt, dass alle an einem Strang ziehen. Es gibt weitere Besprechungen, z.B. innerhalb der Cockpit Crew, in denen die Besonderheiten des Fluges besprochen werden. Hier wird besonders viel Wert daraufgelegt, vorauszudenken, wie sich die Cockpit-Crew im Notfall verhalten wird. Man spielt Szenarien durch, die auftreten könnten und legt fest, wie man im Ernstfall handeln kann.

Der psychologische Effekt liegt auf der Hand. Eine gute Vorbereitung verleiht Handlungssicherheit und senkt somit den Stresslevel bei plötzlich auftretenden Schwierigkeiten während des Fluges.

In Ihrem Bereich können diese Briefings sehr leicht integriert werden. Nutzen Sie kurze Besprechungszeiten mit Ihrem Team, um die aktuellsten Informationen zu teilen, sich gemeinsam auf Besonderheiten einzustellen und für eine Teamatmosphäre zu sorgen, in der eine offene Fehlerkultur gelebt werden kann.

Baustein 2: Entzerren in ruhigeren Phasen

Sofern es möglich und absehbar ist, entzerren Piloten frühzeitig arbeitsintensive Phasen. Sie nehmen insofern Druck raus, als dass sie die Dinge erledigen oder vorbereiten, die sie erledigen können. So schaffen Sie sich freie Kapazitäten, die Sie nicht nur im Ernstfall gut gebrauchen können.

Stellen Sie sich Ihren Arbeitstag vor und den Verlauf Ihrer Leistungsfähigkeit. Über den Tag schwankt diese ganz enorm. In den frühen Morgenstunden sind Sie fit und können sich leichter konzentrieren. Nach der Mittagspause kommt das „Suppenkoma“, danach steigt ihre Leistungsfähigkeit wieder leicht an, erreicht das Hoch vom Vormittag jedoch nicht mehr. Ihre Kapazität nimmt weiter ab – das ist physiologisch bedingt.

Die Auswirkungen? Schwierige Aufgaben sind in den Leistungstiefs nicht so einfach zu lösen, Fehler häufen sich.

Diesen Verlauf eines Tages können Sie auch größer betrachten: Eine Woche, ein Monat, ein Jahr, Sie kennen die Phasen, die arbeitsintensiver sind. Sowohl am Tag als auch übers Jahr gesehen.

Wenn Sie nun Belastungsspitzen frühzeitig entzerren, Ihren Arbeitstag so strukturieren, dass komplexe Aufgaben in Ihrem biologischen Leistungshoch liegen und über das Jahr gesehen hoch intensive Phasen frühzeitig entzerren, dann verhindern Sie, dass Sie in eine Situation kommen, die mehr Kapazität von Ihnen erfordert, als vorhanden ist.

Prävention statt Reaktion

Piloten agieren präventiv. Um eine Sicherheitsmarge zu erhalten, die ihnen einen Puffer lässt zwischen den Anforderungen und der zur Verfügung stehenden mentalen Kapazität.

Der psychologische Effekt liegt in dieser Sicherheitsmarge. Wenn ich dafür sorge, dass immer ein wenig Luft nach oben ist, dann habe ich die Sicherheit, dass noch Reserven für den Ernstfall vorhanden sind. Und dieser Abgleich – ein Bewertungsprozess, den Ihr Gehirn in Sekundenschnelle vornimmt – sorgt dafür, dass der Stresslevel nicht so stark in die Höhe schnellt.

Es senkt permanent den eigenen Stresslevel. Dieser bewegt sich dann zurück in einen optimalen Bereich. Denn ist der Stresslevel außerhalb dieses Optimums, haben Sie nicht Ihre volle Leistungsfähigkeit zur Verfügung.

Aufgrund der Corona-Pandemie gibt es täglich mehrfach neue Erkenntnisse, Entscheidungen und Beschränkungen, die den „normalen Ablauf“ völlig auf den Kopf stellen. Auf diese unerwarteten Rahmenbedingungen müssen viele Unternehmen schnell reagieren und für präventives Handeln ist kaum Zeit. 

Hier kommt es auf dasselbe Prinzip an, die Geschwindigkeit ist allerdings eine andere!

Sofern möglich können Sie alles, was vorbereitbar, planbar und koordinierbar bleibt, erledigen, bevor der richtige „Sturm“ losbricht. Wenn es Ihnen gelingt, die Belastungsspitzen für Ihr Team durch einen klaren Fokus, gute Vorbereitungen und Koordination, Vorziehen von Aufgaben und Aufstellen von Krisen-Arbeitsplänen, etc. abzuflachen, haben Sie wertvolle mentale Kapazitäten freigeschaufelt, um die turbulente Situation gemeinsam meistern zu können.

Baustein 3: Routine, Routine, Routine

Im Simulator werden Piloten immer wieder mit unerwarteten Schwierigkeiten konfrontiert. Unsere Fluglehrer setzen sie somit ständig unter Druck. Sie lernen, in einer strukturierten Art und Weise auf diese Situationen zu reagieren.

So sorgen sie z.B. dafür, dass Klarheit darüber herrscht, wer in dem Moment das Flugzeug kontrolliert und die dafür notwendigen Parameter im Blick behält. Sie analysieren die Situation in einer bestimmten Art und Weise. Anschließend greifen sie – sofern vorhanden – auf Prozeduren zurück, die das Problem lösen können. Und entwickeln anhand eines Entscheidungsfindungsmodells eine strukturierte Handlungsabfolge für den weiteren operationellen Flugablauf.

Diese Struktur ist ein Handlungsgerüst. Dieses bleibt immer gleich. So bekommen sie Routine in der Vorgehensweise.

Und Routine hat einen ganz smarten Nebeneffekt. Sie schafft freie mentale Kapazitäten. Denn Dank des Gerüstes braucht die Cockpitcrew keine Energie darauf zu verschwenden, wie sie an die Situation herangehen will. Sie müssen sich nicht untereinander über die Vorgehensweise abstimmen.

 Das alles ist schon da und schont wertvolle Ressourcen in diesem kritischen Moment.

Der psychologische Effekt liegt zum einen in der frei gewordenen Kapazität. Zum anderen greift unser Gehirn unter Stress nur auf routiniertes, leicht verfügbares Wissen zurück. Und das hilft in einer absoluten Notsituation enorm.

In der Corona-Krise leichter gesagt als getan – denn was ist bitteschön jetzt noch Routine? Definitiv keine leichte Aufgabe. Das was Sie jedoch im Blick behalten können ist, dass Sie auf so viel Routine zurückgreifen sollten, wie es irgendwie möglich ist.

Greifen Sie auf das zurück, was bisher gut funktioniert hat und für alle eingespielt ist. Kombinieren Sie das mit den neuen Herausforderungen, die sich Ihnen jetzt stellen. Je mehr routinierte Abläufe jetzt noch greifen, desto mehr Sicherheit gewinnen Sie in dieser turbulente Situation zurück.

Fazit

Kapitän Chesley Sullenberger hat wirklich großartiges geleistet. Und seine Leistung geht weit über das hinaus, was ich Ihnen hier beschrieben habe.

Die Crew dieses Fluges hat in dieser akuten Situation einen kühlen Kopf bewahren können. Das ist nur möglich, wenn der Stresslevel nicht aus dem optimalen Bereich herausschießt. Und das wiederum konnten sie dadurch gewährleisten, dass sie bereits im Vorfeld dafür gesorgt haben, dass die dafür notwendigen präventiven Bausteine sitzen!

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen einen kühlen Kopf für Ihre aktuellen Führungsherausforderungen, in dieser für uns alle enorm turbulenten Zeit. Bleiben Sie gesund!

Lassen Sie mich wissen, was Ihnen am meisten dabei hilft, einen kühlen Kopf zu bewahren.

Von

Carola Lübbenjans, Diplom Psychologin und seit 10 Jahren in der Weiterbildung von Verkehrspiloten tätig, damit diese in kritischen Stresssituationen einen kühlen Kopf bewahren.

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