Bildungssystem in Deutschland: Lernen in der Schule
Bis zum Start seines Studiums im Oktober arbeitet Silas Gottwald im Online Marketing bei BPI. Vor ein paar Wochen hat er sein Abitur geschrieben. In seiner Freizeit engagiert sich Silas als Vorsitzender des Wiesbadener Jugendparlaments. Hier seine Einschätzung und ein paar Verbesserungsvorschläge für die deutsche Schullandschaft.
Im deutschen Bildungssystem jagt eine Schockmeldung die nächste. Laut der PISA-Studie aus dem Jahr 2016 sind uns die Schüler aus den asiatischen Industrieländern um Längen voraus. Die immer neuen E-Learning Modelle aus Skandinavien lassen deutsche Klassenzimmer alt aussehen. Und dann auch noch das: Laut dem IBQ-Bildungstrend aus dem Jahr 2016 sind die Leistungen der Grundschüler beim Zuhören, in Mathematik und Rechtschreibung drastisch gesunken. Das führt dazu, dass immer mehr Unternehmen Nachschulungen in elementaren Bildungsbestandteilen anstellen müssen, um wettbewerbsfähig zu bleiben.
Die Konrad-Adenauer-Stiftung bringt die kritischen Töne in der 2016 veröffentlichten Studie „Ausbildungs- und Studierfähigkeit“ auf den Punkt: „Die gewollte Inflation der Abschlüsse wurde mit einer Absenkung der Anforderungen erkauft.“
Kommen Ihnen diese viel zitierten Studien, Rechnungen und Trends bekannt vor?
Trotzdem bin ich der Meinung, dass an deutschen Schulen nicht alles schlecht läuft. Einiges läuft sogar richtig gut. Die meisten Schüler fühlen sich in der Schule wohl. Die Schulen werden immer demokratischer und die Lehrer weniger autoritär. Laut der aktuellen PISA-Studie befindet sich Deutschland auf Platz 13, was natürlich immer noch im guten Bereich ist. Außerdem hat es mir immer geholfen zu wissen, dass ich auf eine andere Schulform wechseln kann, wenn ich mich mal falsch entschieden habe. Der Realschulabschluss, den ich in der zehnten Klasse gemacht habe, hat mir früh das sichere Gefühl gegeben, schon etwas zukunftssicherndes in der Tasche zu haben.
Auch wenn die meisten Studien, Kommentare und Grafiken versuchen, unser Bildungssystem zu skandalisieren und ein zu schwarzes Bild vom Schulalltag zu zeichnen, so gibt es Herausforderungen, die dringend angegangen werden müssen, damit die Erwerbstätigen der Zukunft wettbewerbsfähig bleiben.
Meine Vorschläge für ein effizienteres Bildungssystem, das auch den Unternehmen zugutekommt:
1) Den digitalen Wandel anpacken
Unsere Schulen hängen noch immer in der Kreidezeit fest. Unleserliche Tafelbilder, überhitzte Overheadprojektoren und alte Computer mit überholten Betriebssystemen sind der Standard.
Wenn man von zu Hause in die Schule kommt ist es eine Zeitreise in die Zeit vor der Internetrevolution. Dabei ist das E-Learning deutlich effizienter, da der Computer bei guter Umsetzung unmittelbar auf die Bedürfnisse des Schülers eingehen kann. Darüber hinaus wird das selbstständige Lernen gefördert und die Lehrer entlastet. All diese Vorteile kommen vor allem den Unternehmen zugute, die bereits jetzt einen großen Teil ihrer Arbeit online erledigen und auf eine digitale bzw. modern ausgerichtete Schulausbildung bauen.
Diese Herausforderung ließe sich mit einer Investitionsoffensive und Informatikunterricht relativ leicht meistern, denn die Technologien stehen bereit und warten auf ihren Einzug in die Klassenzimmer.
2) Ganztagsschulen sind die moderne Alternative
Seit Jahren wird über sie philosophiert, doch wie die Elektromobilität kommt auch die Ganztagsschule nicht so recht in Fahrt. Dabei ist eine Ganztagsschule, die Bildung und Freizeit in einer Einrichtung kombiniert, eine durchaus ansprechende Alternative. Gerade an Gymnasien sorgt der überladene Lehrplan dafür, dass Hausaufgaben die Freizeit fressen. Es ist kein Zufall, dass Mädchen und Jungen ab der Pubertät immer häufiger die Fußballschuhe an den Nagel hängen und das das Klavier oft nur noch Dekoration im Jugendzimmer ist.
In einer Ganztagsschule kann ein Schüler zwischen den Lerneinheiten seine Freizeitaktivitäten genießen und die Hausaufgaben unter Aufsicht gleich in der Schule erledigen. Darüber hinaus werden die Erziehungsberechtigten mit langen Arbeitszeiten entlastet.
3) Chancengleichheit
Die PISA-Studien haben meinen Eindruck aus dem Schulalltag bestätigt, dass es besonders Kinder mit Migrationshintergrund und aus sozial schwachen Familien in der Schule schwer haben. In keinem vergleichbaren Industriestaat beeinflusst die soziale und ethnische Herkunft den Schulerfolg so stark wie in Deutschland.
Dies kann fatale Folgen für die Wirtschaft in unserem Land haben. Deutschland ist als exportstarkes (und exportabhängiges) Einwanderungsland auf eine gelungene Integration angewiesen. Armut und Arbeitslosigkeit sind enorme Kostenfaktoren und schwächen das BIP. Für Unternehmen ist Chancengleichheit von Anfang an dementsprechend von großer Bedeutung.
4) Lehrer müssen entlastet werden
Vor 20 bis 30 Jahren waren Schulen vornehmlich Einrichtungen der Wissensvermittlungen. Das hat sich radikal geändert. Heute führen Lehrer einen „Mehrfrontenkampf“, der es in sich hat. Integration von Flüchtlingen, Inklusion, Extremismusprävention, Kampf gegen Mobbing und Gewalt, sowie mangelnde Disziplin und eine schwierige Zusammenarbeit mit Eltern sind auf der Tagesordnung. Dabei bleibt der eigentliche Auftrag der Wissensvermittlung auf der Strecke.
Damit der quartäre Produktionsfaktor unserer Wirtschaft nicht zum Erliegen kommt, braucht es eine groß angelegte Investition in die Ausbildung unserer Sozialpädagogen und Lehrer. Darüber hinaus müssen deutlich mehr Pädagogen eingestellt werden und Sozialpädagogen sowie Grundschullehrer müssen (besonders an Brennpunktschulen) besser bezahlt werden.
Silas Gottwald
Ihr Best Practice Institute Team
https://www.best-practice-institute.com