Trends in der Weiterbildung
Qualifizierung im Einkauf: Zwischen Anforderungen und Möglichkeiten und warum Weiterbildung so wichtig ist
Der Artikel ist in überarbeiteter Form in der Fachzeitschrift „Einkäufer im Markt“ erschienen.
CFO fragt den CEO: „Was passiert, wenn wir in die Entwicklung unserer
Mitarbeiter investieren und dann verlassen sie unsere Unternehmung?“
CEO: „Was passiert, wenn wir nicht investieren und sie bleiben?“
Das Schmunzeln ist meist groß, wenn man diese Anekdote erzählt, fasst sie doch in aller Kürze die Situation vieler Unternehmen zusammen, wenn es um die Personalentwicklung geht. Die Zuhörer schmunzeln, weil ihnen durch den Witz die Bedeutung von Weiterbildung direkt vor Augen geführt wird. Dennoch kämpfen die Trainingsanbieter immer noch damit, dass in jedem Seminar Teilnehmer absagen, weil aus der Sicht der Vorgesetzten etwas viel Wichtigeres Priorität erlangt.
Warum ist Weiterbildung in den letzten Jahren überhaupt ein so prominentes Thema geworden? Werfen wir dazu einen Blick auf die aktuellen Megatrends: das Deutsche Zukunftsinstitut listet derzeit 12 Megatrends auf, wovon mit Wissenskultur, New Work, Globalisierung, Silver Society, Konnektivität / Digitalisierung fast die Hälfte einen relevanten Bezug zu Bildung und Weiterbildung haben. Das unterstreicht die Wichtigkeit der beruflichen Weiterbildung, um gut gerüstet für die zukünftigen Anforderungen im Markt zu sein. Die Studie der Eurostat über den Anteil der weiterbildenden Unternehmen in den Jahren 2005 und 2010 weist für fast alle Länder inklusive Deutschland eine positive Entwicklung beim Weiterbildungsangebot auf. Allerdings nimmt Deutschland im Vergleich mit anderen europäischen Ländern nach wie vor nur einen mittleren Platz ein und wurde in den letzten Jahren von vielen Nachbarn überholt.
Den Blick auf den Einkauf gerichtet ist das „Verhandlungstraining“ in den unterschiedlichsten Facetten seit Jahren das Bestseller-Training. Welche neuen Trends sind im Bereich der Weiterbildung zu beobachten? Um das Weiterbildungsangebot im Einkauf auch methodisch etwas breiter aufzustellen und den Vorsprung, den die Vertriebsabteilungen in den letzten Jahren kontinuierlich ausgebaut haben, zu verringern, sind drei Trends besonders hervorzuheben:
- Microlearning:
Microlearning bezeichnet das Lernen in kleinen Lerneinheiten, meist im Bereich
des E-Learnings. Social-Media-Kanäle wie Twitter, Instagram oder Facebook machen
es vor. Alles passt in 140 Zeichen oder besser noch in eine Foto-Story oder in
ein Video, sonst dauert es zu lange und geht in der persönlichen Timeline unter.
Microlearning, das sind viele kurze, am besten auch regelmäßige Lerneinheiten.
Durch die geringe Zeitspanne müssen die zu vermittelnden Inhalte äußerst
prägnant aufbereitet und inhaltlich klar abgegrenzt sein, was ein Wechsel von
traditionellen Lernmodellen, bekannt aus Schule und Universität, hin zu
mikroperspektivischen Lerneinheiten impliziert. Damit passt sich Micro-Learning
dem modernen Zeitgeist an: Es ermöglicht, in der U-Bahn oder abends auf dem Sofa
zu lernen, ohne, dass man sich in einer direkten Lernumgebung befinden muss.
Ganz konkret für die berufliche Weiterbildung bedeutet das: Gut aufbereitetes Wissen in kurzen White-Papers, Email-Kursen – jeden Morgen über 10 Tage lang eine E-Mail, Lern-Karten, Info-Grafiken, Video-Tutorials oder Checklisten. - Gamification: Das auf Spielen basierende Lernen wird immer stärker in moderne Lernprozesse integriert, um Mitarbeiter zusätzlich zur Weiterbildung zu motivieren. Weg vom „Wir-lernen-jetzt-etwas“, das schon in der Schule nicht funktionierte und weswegen sich bei vielen beim Wort „Lernen“ noch der Magen zusammenzieht. Hin zum spielerischen Lernen wie wir es als Kinder schon ohne Anleitung gemacht haben. Neben dem Spaß wird bei gamifizierten Seminaren ein weiterbildender Lerneffekt in das jeweilige Spiel integriert, wie z.B. Teamwork, kreatives Denken oder Verhandlungsführung. Das heißt, wir lernen in kleineren Spielsequenzen oder in ganztägigen Simulationen während des Spielens, quasi nebenbei und ohne Druck, einfach nur, weil wir gewinnen und Spaß haben wollen.
- Lebenslanges Lernen: Wir beginnen unser Leben mit ganz viel institutionalisiertem Lernen in Schule, Ausbildung und Uni. Wenn dann der Abschluss in der Tasche ist, soll für den Rest des Lebens alles Wichtige im Kopf sein? Ein Zitat von Isaac Asimov lautet: „People think of education as something they can finish.“ Von diesem Gedanken sollten wir uns verabschieden. Die Halbwertszeit von Wissen und Kompetenzen sinkt kontinuierlich. In den letzten Jahren hat sie sich auf 2,5 Jahre halbiert. Damit erhöht sich auch der Bedarf an Weiterbildung in Unternehmen. Langfristige Planung von Schulungsmaßnahmen, abteilungsspezifische Weiterbildungskonzepte und Angebote für die tägliche Lerndosis können lebenslanges Lernen unterstützen und Mitarbeiter zum Lernen motivieren. Denn entgegen der aus Schule und Studium geprägten Erfahrung kann Lernen ein Leben lang Spaß machen. Und warum keine weitere Ausbildung oder ein Zusatz-Studium im Alter von 45 Jahren?
Für die 300 Teilnehmer der jährlichen Umfrage im Auftrag der Studiengemeinschaft Darmstadt (SGD) ist 2018 die Weiterbildung eines der zentralen Instrumente für Unternehmen, um den wachsenden Anforderungen durch Digitalisierung und New Work zu begegnen. Laut den Umfrageergebnissen wird Weiterbildung attraktiv durch:
- Flexibles Lerntempo mit Unterbrechungsmöglichkeiten
- Breites Methoden- und Medienspektrum
- Flexibel zusammenstellbare Inhalte
- Ortsunabhängig und mobil
- Vernetztes Lernen
- Durchlässigkeit von Abschlüssen
Welche Themen treten dadurch bei der Umsetzung von attraktiven Weiterbildungsmaßnahmen bei den Firmen in den Vordergrund? Oder aus einem anderen Blickwinkel gefragt: Was würde ich tun, wäre ich Einkaufsleiter und verantwortlich für das Weiterbildungsbudget?
Meine Top 3 Themen sind:
- Nachhaltigkeit
von Weiterbildung stärker hervorheben
Im Detail bedeutet das: Mentoring-Systeme einführen als Ratgeber auf dem Weg etwas Gelerntes zu pilotieren und Innovationen voranzutreiben; Refresher-Trainings für die Fokusthemen anbieten gegebenenfalls mit Coaching-Optionen; Durchführung von aufeinander aufbauenden Seminarthemen bei komplexeren Themenfeldern über einen längeren Zeitraum; E-Learning Methoden zur Unterstützung der Präsenz-Trainings (Blended Learning); inhaltliche und zeitliche Flexibilität beim Lernen; Freiräume zur Umsetzung des Gelernten schaffen, da Verhaltensänderungen seine Zeit brauchen. - Crossfunktional-besetzte
Trainings und Workshops durchführen
Laden Sie aktiv Teilnehmer aus Schnittstellen-Abteilungen, zum Beispiel Qualität oder Vertrieb zu gemeinsamen Trainings und Workshops ein. Dadurch wird sehr nachhaltig die interne Kooperation und das Netzwerk gestärkt und der Wissenstransfer unterstützt. So erfahren Sie direkt deren Anforderungen und Ziele und können auch Ihre eigenen Wünsche in Bezug auf eine reibungsfreie Zusammenarbeit vorstellen. Das gemeinsame Verständnis und die geschaffene kooperative Basis helfen eine Eskalation bei der nächsten Krise zu vermeiden. - Einbeziehung der
betroffenen Mitarbeiter bei der Erstellung der Weiterbildungskonzepte
Nur 44,3% der Unternehmen erfassen laut der IW-Weiterbildungserhebung von 2014 systematisch den zukünftigen Weiterbildungsbedarf der Mitarbeiter und stellen die notwendigen Qualifizierungsmaßnahmen gezielt zur Verfügung. Somit stellt sich heraus, dass Weiterbildungsentscheidungen oftmals aufgrund kurzfristiger und unmittelbarer Bedarfe und deutlich sichtbare Qualifikationslücken aus Sicht des Managements getroffen werden. Das mittel- und langfristige Weiterbildungskonzept sollte stattdessen auf Basis einer implementierten Unternehmens- oder Abteilungsstrategie entwickelt werden und die Ziele dieser Strategie mit Wissen und Methodenkompetenz untermauern.
Nachhaltige Weiterbildung ist in Zeiten des ständigen Wandels unabdingbar für die Produktivität und die eigenen Wachstumschancen. Der Einkauf hat bei dieser Entwicklung eine der Hauptrollen inne. Je abteilungsspezifischer und facettenreicher das vom Unternehmen bereitgestellte Angebot an Weiterbildungsoptionen ist und von den Mitarbeitern frei zugänglich genutzt werden kann, umso besser ist das Unternehmen für die Herausforderungen der Zukunft gewappnet.
Axel Hamann
www.best-practice-institute.com